Mittwoch, Oktober 25, 2006

Pendikel: Don't Cry, Mondgesicht

Vor manchen Aufgaben drückt man sich einfach, manchmal weil man nichts negatives über eine Platte schreiben will, manchmal - wie im Fall von Pendikels Don't cry, Mondgesicht - weil es unmöglich scheint der zu besprechenden Platte auch nur ansatzweise gerecht zu werden.

OK, nicht gerade eine wahnsinnig originelle Einleitung, zeigt aber vielleicht mit welchen Hemmungen ich mich seit nun mehr fünf bis sechs Wochen vor einem längst fälligen Review drücke. Da hilft nur eins, nämlich einfach mit der Tür ins Haus fallen: Die Platte ist ganz große Klasse! Weniger Art- oder Postrock als 3, weniger ArtNoiseCore oder Emo als Fu ruft Uta und Phantasievoll (aber unpraktisch), dafür von allem ein bißchen und ordentlich viel Indierock und sogar Popanleihen.

Pendikel haben und hatten schon immer einen ganz besonderen Stil, der auf dem typischen Gitarrenspiel und dessen Kombination mit dem Schalgzeug fußt und den charakteristischen Gesang von Carsten Sandkämper (früher intro-Schreiber, heute manchmal bei Spex) als quasi Topping mitbringt. Neben, über, unter, vor und hinter diesen Grundzutaten passiert noch unheimlich viel, Mellotronsprengsel, Samples, Vokodergesang, Bass, Keyboards. Daß die tollen Texte über privates und nicht ganz so privates bei den überschwenglichen Reviews bei Spex und intro besondere Aufmerksamkeit bekommen, ist natürlich nachvollziehbar, tut allerdings so als ob die Texte auf den ersten drei Platten nur schmückendes Beiwerk gewesen wären. So ein Quatsch! Hier sei nur an 'vielleicht' von Fu ruft Uta, 'Pubertäterä' von Phantasievoll (aber unpraktisch) und die Wimphymne (nach Martin Büsser) 'rausgehen, rocken und zerstör'n' von 3 erinnert, um nur mal ein paar zu nennen. Was in der Tat neu ist, ist der offensive Wille sich politisch zu äußern, wie im 'Arbeiterlied' oder bei 'Gewinner'. edit an: wobei politisch hier nicht sloganeering oder ideologisch verbrämten Sozialkitsch meint, sondern ein generelles Unbehagen oder Uneinverstandensein mit der Situation, das aber immer genug Abstand zu realpolitischen Programmen hält. edit aus

Meine Favoriten sind neben dem monolithischen Opener 'Dead City', von Pendikel auch als ihre Rock-Oper bezeichnet, 'Falsche Freunde' (wg des Keyboards und wg "dabei geht es nur um Musik"), 'Zitatmaschine' (wg des hysterischen Zitatwirrwarrs gegen Ende) und 'Nach dem Piepton' (wg der Zeilen "Uns bleibt leider nie viel Zeit für echte Betroffenheit (...) >>Melacholie kann dich ändern, wenn du es willst, ändert dich nie, wenn du sie niemals fühlst<<").

Kurz bevor wir zum Schluß kommen noch ein paar hard facts: Don't cry, Mondgesicht wurde als Duo (Oliver Klemm, Carsten Sandkämper) im BluBox Studio in Troisdorf zusammen mit Guido Lucas und im Klangewalt in Kerpen mit Lobo Panic aufgenommen. Erschienen ist sie, wie auch schon die drei Vorgängerinnen bei blunoise. Zu bestellen ist sie entweder bei Flight 13, bei blunoise oder bei Pendikel selbst.

Hier also das Fazit, vor dem ich mich so lange gedrückt habe: In seiner Bedeutung ist Don't cry, Mondgesicht höchstens mit Hallo Endorphin von ...But Alive zu vergleichen, natürlich gibt es genug Unterschiede, z.B. die Punkbasis von ...But Alive, aber als Popplatte mit deutschen Texten ist sie die einzige Referenz, die mir einfällt v.a. wg der stilistischen Vielfalt, aber zum Glück ohne eine Rammsteingedächtnisnummer ('Sicher' auf Hallo Endorphin). Außerdem weil beide Platten eine Öffnung hin zu Pop markieren, für ...But Alive auch gleichzeitig das Ende und ein halbgarer Neuanfang als Kettcar, aber für Pendikel ist es hoffentlich "nur" ein Schritt hin zur nächsten tollen Platte, dann 2010.




p.s. intro verweist auf Kolossale Jugend und Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, na ja, kann man machen, sind allerdings nicht die Vergleiche, die mir dazu einfallen...

p.p.s. ach so, demnächst gibt's Pendikel auch in Deiner Stadt! Aber dazu morgen mehr...

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